Neckermann/Körting Hamburg

Der Neckermann Körting Hamburg "Stereo" Empfänger war sicherlich schon damals veraltet und Neckermann gab hier den Ton an. Denn diese Geräte hatten nur noch sehr wenig mit Körting gemein. Die einst renommierte Firma baute in den 1930Jahren spitzen Geräte. Die Erfolgsgeschichte hatte aber eine Schattenseite. Der zweite Weltkrieg veranlasste Körting in den Westen zu ziehen. Körting in Leipzig wurde 1948 enteignet und wurde so zu VEB Funkwerke Leipzig.

War es eine verfehlte Modellpolitik oder nur ein zu später Start in den Westen. Die Technik der Körtings waren gut, das Design zu alt. So zumindest teilt sich meine Auffassung und der Käufer wollte nicht nur ein gutes technisches Gerät, er wollte auch ein modernes Gerät der Zeit entsprechend. Die damalige Hausbank hatte wohl angst um ihr Geld und so wurde Gerhard Böhmer mit der Sanierung beauftragt. Hier heißt es, dass Böhmer beim betreten der Lagerhallen über 26.000 nicht verkaufte Geräte vorfand. Nach der Sanierung wurde Körting nicht mehr direkt vertrieben. Ein Deal mit Neckermann war dahingegen die Kataloge zu füllen. Katalogware galt in der damaligen Zeit als Ware zweiter Klasse.

Der Empfänger war zudem für den Stereobetrieb nur vorbereitet. Eine Modellpolitik zur damaligen Zeit die man kaum verstehen konnte, da der Stereodecoder als Zusatzgerät kostenpflichtig dazu gekauft werden musste. Ohne den Decoder war das Gerät nur auf der NF Seite stereotauglich und der UKW Empfang verblieb so auf mono. In den Anfängen wurde das Zusatzgerät von außen platziert. Allerdings gab es eine passende Öffnung im Chassis die für den Decoder vorgesehen war. Ein Blick ins Chassis zeigte auch, dass die Verdrahtung für den Einbau in das Chassis schon vorhanden war! Erst später wurde der Empfänger komplett angeboten.

Unter Neckermann ging es Körting gut bis allerdings der Verkauf von Rundfunkartikeln rückläufig war. Der Versandhandel unter Neckermann war 1977 der Stolperstein für Körting. Neckermann riss Körting ebenso in die Insolvenz, wobei der eigentliche Auslöser ELAC gewesen sein sollte.

Nicht mehr ganz original aber dafür repariert und komplett überarbeitet.

Das Gerät befindet sich seit 1964 im Familienbesitz und der Glanz der 1960 Jahre war längst vergangen. Irgendwann hatte man es einfach vergessen und so landete das Gerät erst auf den Dachboden und später in einer feuchten Holzhütte. Die Skalenbedruckung hatte sehr stark gelitten und auch die Lautsprecherbespannung war angegriffen. Es gibt hier einige Möglichkeiten, aber keine die letztlich das Gerät so wieder erscheinen lässt wie einst im Originalen.

Die verbaute ELL80 war erst die zweite Röhre und ich erinnere mich noch daran, als die letzten Lebenszeichen der originalen ELL80 mit rot glühenden Anodenblechen ihr Ende einläuteten. Erst fiel ein Kanal mit einem lauten "krachen" aus, woraufhin das Gerät abgeschaltet wurde. Die ELL80 hatte einen Gitterschluss ereilt und musste ausgetauscht werden. Das war 1978!

Nicht nur das Gehäuse machte Probleme, durch einen Kurzschluss der Gleichrichterröhre wurde fast der Netztrafo gegrillt. Dazu folgten noch diverse Probleme im NF Teil. Nach einer gründlichen Durchsicht waren noch einige Kondensatoren defekt. Irgendwann lief es dann auch rund und im mehrstündigen Probebetrieb zeigten sich keine Fehler mehr. Die Reparatur verlief ähnlich wie beim Graetz Musica. Auch die getroffenen Maßnahmen für eine bessere Absicherung des Netztrafos wurde umgesetzt.

Der Wirkungsgrad der damals verbauten Hochtöner als Elektrostaten war nicht sonderlich gut. Weiterhin sollte man bei Bastelarbeiten an diesen Lautsprechern Vorsicht walten lassen! Die Betriebsspannung kommt direkt aus der ELL80 und deren Schirmgitterversorgung. Die Spannung am Schirmgitter beträgt ca. 225Volt. Die Auskoppelung läuft über einen 220kOhm Widerstand was aber durchaus unangenehm bei einer Berührung werden kann. Die Elektrostaten bestehen im Grunde nur aus einem Gitter und einer dünnen Folie. Das alles ist mit einem Schaumstoffring zusammengefügt. Wer Wert auf eine Funktion legt kann diese zerlegen und den Schaumstoff ersetzen. Weiterhin kann das Gitter angelaufen sein, was den Lautsprecher verstummen lässt. In der Regel sind es diese beiden Defekte die auftreten. Es gibt aber auch Risse in der Folie was eine Reparatur unmöglich gestaltet. In dem Gerät wurden weiterhin zwei unterschiedliche Breitbandlautsprecher verwendet. Bei Zimmerlautstärke klingt das Gerät ausgewogen, wobei die Höhen wie auch Tiefenregler zu viel Eingriff verursachen. Gerade die Bassanhebung lässt schnell die Endstufe überfordern. Ein Grund dafür sind die viel zu kleinen Ausgangsübertrager die sehr schnell in die Sättigung gehen.

Der Stereoempfang aus dem Transistor-Decoder zeigte deutliche Schwächen in der Kanaltrennung wie auch das  Rauschverhalten. Die damalige Technik dafür war noch nicht so ganz ausgereift, was einmal an der möglichen Abstimmung des Decoders lag und zum anderen die verbauten Halbleiter in Germaniumtechnik. Die Komponente sind auf gedruckte Schaltungen aufgebaut und vom Prinzip her modular gestaltet. Allerdings waren die einzelnen Platinen mit Lötstiften etc. und direkten Lötarbeiten verbunden. Ein Blick in die alte Technik zeigt gegenüber den 1930 Jahren, dass Körting unter Neckermann einen extremen Sparzwang unterlag. Ein Vergleich dazu lieferten die teureren Graetz Rundfunkgeräte. Hier war die Technik nicht unbedingt besser, da die Röhrenschaltungen kaum Spielraum ließen, aber dafür waren die Graetz Geräte schon alleine vom Gehäuse aufwendiger. Die Restauration war teilweise aufwendiger, da das Gehäuse sehr gelitten hatte.

          

 

Die oberen Bilder zeigen einmal das Chassis, den Stereo-Decoder, Endstufe und ZF.

Der Skalenhintergrund ist bei diesem Gerät nur ein Stück Papier, billiger ging es wohl nicht. Die bedruckte Skalenseite war ein Problem und es mussten Kompromisse eingegangen werden.

Der Zustand des Gehäuses war nicht sonderlich gut. Die Lautsprecherbespannung war porös, die Skalenbedruckung beschädigt. Die Zierblende war stark angegriffen, dazu war das Furnier stellenweise erheblich zerkratzt. Die Schleifarbeiten mussten daher sorgfältig ausgeführt werden, da es nicht sonderlich dick ist. Um einige kleinere Fehler zu kaschieren entschied ich mich für einen dunklen Farbton.

 

Nach der Vorbereitung, beizen etc. und Lackierung ging es um die Auswahl der neuen Lautsprecherbespannung. Die Bespannung ist normalerweise mit der Schallwand verklebt. Die neue Bespannung wurde nur an den Umschlagstellen geklebt und mit doppelseitigen Klebeband auf der Schallwand fixiert.

 

Das fertig gestellte Gehäuse in einem neuen Glanz, dass kann sich wieder sehen lassen! Die restlichen Nebenarbeiten waren schnell erledigt und das Chassis wieder eingebaut.

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