Kiev RF
Mit einer Kiev RF um den Hals wird man heute bedauert oder müde belächelt. Manchmal kommt es aber auch vor, dass man bestaunt wird. Die Kiev ist kein Statussymbol, obwohl es sich um eine Contax (Kopie) handelt. Hier in Westdeutschland wurde sie im Gegensatz zu den FSU-Marken wie FED oder Zorki nicht vermarktet. Grund für die Handelsriesen Foto-Quelle oder Porst mag die Existenz von Zeiss Ikon in Oberkochen gewesen sein.
Die Kiev 3a von 1952 mit einem Jupiter 12 (35mm Weitwinkel)
Qualitativ muss man sich nur wenig sorgen, da die
Kiev´s dieser Welt meist recht ordentlich sind. Das ist besonders
auf die Kiev 4AM/M gemünzt. Aber man sollte keine Wunder erwarten.
Schlecht verklebte Belederungen, nicht justierte Verschlüsse,
knarrende Fokusspindeln und falsch justierte Messsucher sind nun mal
häufig negative Attribute der russischen Kamera-Klone. Im
schlimmsten Fall rührt sich gar nichts, was dann heißen will, dass
sie einfach falsch zusammen gebaut wurde oder halt defekt ist.
Die Ähnlichkeit mit der Contax konnte man nicht retuschieren. Doch
bleiben wir gerecht, auch die Japaner hatten die Contax für sich
entdeckt und mit ihren Mitteln zu japanischem Einheitsbrei
umgewandelt (Nikon S - Nikon SP). Und war die Qualität besser als
die Kiev RF? Im Grunde schon, wenn da nicht die typische japanische
Halbwertzeit wäre. Klapprige Blendenlamellen, ungenaue Verschlüsse
zählen hierzu, was das Bild der Kiev RF dann in neuem Licht
erscheinen lässt.
Für sich selber sollte man entscheiden, was bei der Kiev 4 AM/M RF letztlich auch heißt, dass man schon ein gewisses gehobenes Grundwissen über mechanische Kameras braucht um eine Kiev RF Kamera richtig einzuschätzen. Es genügen nicht die Grundlagen der analogen Fotografie und auch nicht die Übung im Umgang mit mechanischen Kameras. Man sollte in der Lage sein die Kamera technisch zu beurteilen.
Da wir heute in der Welt der Digitaltechnik leben ist das gerade für junge Anwender deren Interesse sich der analogen Fotografie zuwendet ein Problem. Das Wissen wird weg digitalisiert und mit diversen Software und Programmautomatiken ersetzt. Da nützen die vielen Messpunkte und Fokushilfen dem eigentlichen Bildinhalt recht wenig. Letztlich kommt irgendeine Belichtung dabei heraus, die man auch mit irgendeinem Handbelichtungsmesser hinbekommt oder auch versaut.
Bei der Kiev RF hat man das Steuer selbst in der Hand. Vergebens sucht man Blendenautomatik oder Zeitautomatik. Der Fokus wird ganz exakt mittels Mischbildentfernungsmesser eingestellt. Dazu braucht es eine menschliche Hand und ein funktionierendes Auge. Stupides Fotografieren mit der Kiev RF gibt es nicht. Sie verlangt in jeder Situation, dass man Rädchen und Räderchen verstellt. Eine Schnappschusskamera ist sie auch nicht und der Sprössling auf dem Kinderspielplatz wird schneller weg sein, als die Verschlusszeit der Kiev RF eingestellt ist. Letztlich ist die Kiev RF ein eher sperriges Werkzeug. Heraus kommt kreatives Fotografieren mit Muße. Das ist fotografische Entschleunigung. Dafür ist sie hervorragend geeignet!